Renten im Sinkflug - was können wir tun?

Der Pensionierungsbarometer 2022 des Vermögenszentrums bestätigt, dass unsere Renten im Sinkflug sind. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung senken die Pensionskassen die überobligatorischen Umwandlungssätze, was zu sinkenden Pensionskassen-Altersrenten führt. Je höher Ihr überobligatorisches Alterskapital, desto stärker sind Sie von der schleichenden Rentenerosion betroffen. Die noch stabile oder nominal sogar leicht steigende AHV-Rente kann in vielen Fällen die Leistungsreduktion bei den BVG-Renten nicht kompensieren. Zudem befindet sich die AHV selbst in Schieflage und es ist keineswegs gesichert, dass die erste Säule auch weiterhin das aktuelle Leistungsniveau halten kann. 

Zwei Beispiele aus dem VZ Pensionierungsbarometer:

  • Bei einem Mann mit einem Bruttoeinkommen von CHF 100’000 pro Jahr machen die Renten (AHV und Pensionskasse) weniger als 54% des Lohnes aus. Vor 20 Jahren betrugen die Renten noch 62% des letzten Lohnes.

  • Bei einem Mann mit einem Bruttoeinkommen von CHF 150’000 pro Jahr machen heute die Renten nur noch 45% aus, während im 2002 diese noch 58% des letzten Lohnes erreichten.

Beachten Sie dazu auch mein Beispiel aus dem Blog-Beitrag „Rente oder Kapital“ (https://www.previdenza-beratung.com/blog/rente-oder-kapital).

Zu allem Übel erodiert eine hartnäckige und überdurchschnittlich hohe Inflation die Kaufkraft der ohnehin sinkenden Renten noch zusätzlich.

Die Folgen

Ohne geeignete Massnahmen werden viele Menschen das angestrebte Leistungsziel unserer Altersvorsorge (Erhaltung des gewohnten Lebenssstandards) nicht mehr erreichen. Was das im Einzelfall für Folgen hat, kann man sich leicht ausdenken. Ohne Planung und ohne intelligente Vorbereitung machen Sie sich vom Schicksal, oder von staatlicher Unterstützung abhängig. Wenn Sie das nicht wollen, sollten Sie so früh wie möglich aktiv werden.

Was können Arbeitgeber unternehmen?

Als Arbeitgeber können Sie für eine intelligente und zielführende BVG-Lösung sorgen. Viele wählen immer noch das Vollversicherungsmodell, obwohl dieses keine Verzinsung oder gar eine negative Realverzinsung abwirft. Auf diese Art hat man zwar seine gesetzlichen Verpflichtungen als Arbeitgeber erfüllt, aber die Angestellten werden mit grosser Wahrscheinlichkeit das gewünschte Leistungsziel nicht erreichen. Ich kann gut verstehen, wenn man der Sicherheit der Pensionskassenguthaben einen hohen Stellenwert beimisst, aber es gibt verschiedene teilautonome Sammelstiftungen die ihre Solidität über Jahre oder Jahrzehnte unter Beweis gestellt haben und dabei im Schnitt eine deutlich höhere Verzinsung gewährt haben. Klar besteht bei diesen Lösungen die Möglichkeit einer Unterdeckung. Es somit könnten im schlimmsten Fall Sanierungsmassnahmen wie Nullverzinsung für eine gewisse Zeit oder zeitlich befristete Sanierungsbeiträge (zusätzlich zu den ordentlichen Beiträgen) anfallen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist bei soliden teilautonomen Pensionskassen sehr gering. Ausserdem können Vollversicherungsanbieter auch nicht unbeschränkt Risiken abfedern und deshalb geben auch immer mehr Anbieter dieses Modell auf.

Ein weiterer Aspekt über den man nachdenken könnte, ist die Aufteilung der beruflichen Vorsorge in einen obligatorischen und in einen überobligatorischen Teil. Viele Arbeitgeber möchten für ihre Arbeitnehmer höhere Leistungen versichern als vom Gesetzgeber gefordert und wählen dafür eine sogenannte umhüllende Lösung. Das heisst, dass obligatorische und überobligatorische Leistungen in einem Vorsorgeplan zusammengefasst werden. Grundsätzlich ist das eine einfache und elegante Lösung. Viele Pensionskassen haben jedoch in den letzten Jahren einen tiefen umhüllenden (für obligatorische und überobligatorische Altersguthaben geltenden) Umwandlungssatz eingeführt. Da für den gesetzlichen Teil der Altersguthaben weiterhin ein Umwandlungssatz von 6.8% gilt, kann diese Methode nur aufgehen, wenn der überobligatorische Teil des Altersguthabens im Gegenzug mit einem (zu) tiefen Umwandlungssatz in eine Rente umgerechnet wird. Beachten Sie dazu das Berechnungsbeispiel in meinem Blog-Beitrag „Rente oder Kapital“ (https://www.previdenza-beratung.com/blog/rente-oder-kapital).
Bei diesen umhüllenden Lösungen wird das überobligatorische Kapital als Manipuliermasse zur Finanzierung von zu hohen obligatorischen Leistungen verwendet. Versicherte mit hohen überobligatorischen Altersguthaben finanzieren die Leistungen derjenigen mit wenig oder keinen überobligatorischen Pensionskassenvermögen. Je mehr Versicherte mit ausschliesslich obligatorischen Guthaben eine Pensionskasse hat, desto schlimmer ist die soeben beschriebene Umverteilung.

Mit einer Aufteilung der Pensionskassenlösung in einen obligatorischen und einen überobligatorischen Teil könnte das geschilderte Problem entschärft werden. Zusätzlich kann bei einer separaten überobligatorischen Lösung (Kaderplan) über eine individuellere Anlagestrategie nachgedacht werden. Sind viele jüngere Kaderleute mit Löhnen über CHF 130’000 pro Jahr angestellt, kann man über eine 1e-Lösung nachdenken. Bei einer 1e-Lösung kann jeder Versicherte, eine auf seine eigene Risikofähigkeit und Risikoneigung angepasste Anlagestrategie wählen und erreicht somit langfristig in der Regel deutlich bessere Performance (Verzinsung des Altersguthabens). 

Die Analyse der aktuellen Vorsorgesituation und die Erarbeitung von Optimierungsvorschlägen ist eine komplexe Angelegenheit. Stützen Sie sich auf die Expertise von kompetenten und vor allem unabhängigen Beratern. Das wird Sie einmalig etwas kosten, aber langfristig Ihnen und Ihren Angestellten eine deutlich verbesserte Altersvorsorge bescheren.

Was können Arbeitnehmer tun?

Ich kann hier keinen detaillierten und schon gar nicht allgemeingültigen Aktionsplan darlegen. Die Lebensumstände sind viel zu unterschiedlich um hier ein Rezept für alle zu präsentieren.
Grundsätzlich haben wir uns in den letzten Jahrzehnten sehr stark auf eine rein finanzielle Altersvorsorge abgestützt. Die meisten gehen immer noch davon aus, dass die AHV- und die Pensionskassenleistungen und bei manchen noch die Leistungen aus der gebundenen Vorsorge 3a, ihnen die Fortführung des gewohnten Lebensstandards ermöglichen.

Beim Vorsorgen muss man jedoch auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass man das gewünschte Leistungsziel mit den klassischen Massnahmen nicht mehr erreicht. Was kann man tun?

Es gibt nicht nur die finanzielle Vorsorge!

  1. Finanzielle Vorsorge
    Ausnahmsweise möchte ich in diesem Blog-Artikel die finanzielle Vorsorge für Arbeitnehmer nur kurz streifen und nicht vertieft betrachten.
    Sie werden sich wundern, aber für mich ist der wichtigste Aspekt bei der finanziellen Vorsorge das WISSEN. Ohne ausreichendes Wissen werden oft unbedachte Entscheidungen im falschen Moment getroffen und das leider mit negativen Konsequenzen für Ihre Sparziele. Investieren Sie etwas Zeit in Ihre Finanzbildung, so dass Sie die Grundlagen von Geld, Finanzen und Wirtschaft verstehen. Sie müssen dazu nicht Ökonom werden. Wenn Sie Begriffe wie Real- und Nominalwerte, Zins, Inflation, Kapitalanlagen und Risiko verstanden haben, können Sie qualifiziertere Entscheidungen treffen.
    Zum Thema Vorsorge und Inflation können Sie gerne meinen Blog-Artikel „Berufliche Vorsorge und Inflation“ (www.previdenza-beratung.com/blog/berufliche-vorsorge-und-inflation) lesen.

  2. Vorsorge durch Aktivierung der eigenen Ressourcen & Steigerung der Resillienz
    Wie bereits erwähnt, hege ich gewisse Zweifel, dass wir - und vor allem die noch jüngeren Angestellten - das verfassungsmässige Vorsorgeziel mit der AHV- und den Pensionskassenleistungen erreichen werden. Im schlechteren Fall wird selbst eine zusätzlich vollständig aufgebaute Säule 3a nicht ausreichen um den Lebensstandard nach der Pensionierung aufrecht zu erhalten. Auch das Rentenalter 65 werden wir wohl früher oder später vergessen müssen. Gehen Sie davon aus, dass Sie länger arbeiten müssen.
    Statt für teures Geld noch mehr Vorsorgeprodukte zu kaufen, investieren Sie besser in Ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten. So erhalten Sie nicht nur Ihre Arbeitsmarktfähigkeit, sondern auch Ihr Selbstvertrauen. Investition in die eignen Fähigkeiten und Fertigkeiten sind nie umsonst und keiner kann Ihnen diese Werte wegnehmen, bzw. wegbesteuern.
    Arbeit kann nicht immer nur Spass machen. Trotzdem ist es wichtig, dass Sie mit Ihrer beruflichen Tätigkeit und Ihrem Arbeitgeber zufrieden sind. Das verharren in einer unbefriedigenden Situation ist aus mehreren Gründen nicht ratsam. Erstens kann dauernde Unzufriedenheit krank machen und zweitens werden dadurch Ihre Leistungen früher oder später abnehmen. Dies kann wiederum den Verlust der Arbeitsstelle verursachen. Untätigkeit und Sehnsucht nach einer möglichst baldigen (Früh-) Pensionierung kann fatale Folgen haben. Handeln Sie frühzeitig und ändern Sie Ihre Situation. Spass und Freude an der Arbeit macht die Aussicht auch nach dem 65 Altersjahr arbeiten zu müssen, sehr viel attraktiver.

    Mobilisieren Sie Ressourcen
    Sie setzen heute schon mehr oder weniger bewusst vorhandene Ressourcen bei der Ausübung Ihres Berufes ein. Zu Ihren Ressourcen zählen:

Fachlichen Ressourcen

      • Ausbildung

      • Berufliche Erfahrung

      • Methodenkompetenz

      • Kognitive Fähigkeiten

      • Umgang mit finanziellen Mitteln

Persönliche Ressourcen

      • Interessen

      • Körperliche Konstitution

      • Motivation

      • Charaktereigenschaften

      • Emotionale Fähigkeiten

      • Praktische Fähigkeiten

      • Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit

      • Selbstwirksamkeit und Selbstwertgefühl

Komplementäre Ressourcen

      • Engagement und Impact (Unterrichten, öffentliches Engagement)

      • Arbeitsinstrumente (IT- und andere Werkzeuge (Tools), Konzepte, Projektmanagement)

      • Kommunikation (Methoden, Medieneinsatz, Veröffentlichungen)

      • Zusammenarbeit (Teamfähigkeit, Leadership, Verhandlungs- und Konfliktmanagement)

      • Reputation

      • Selbstmanagement (Prioritäten setzen, Zeitmanagement, Arbeitsorganisation, Work-Life-Management)

      • Kreativität


Oft liegt ein nicht unwesentlicher Teil unserer Ressourcen brach. Genau diese Reserven sind wertvoll und spielen für unsere Resilienz eine sehr grosse Rolle. In aussergewöhnlichen Zeiten helfen uns diese Fähigkeiten aufkommende Herausforderungen zu meistern. Wollen Sie Ihre Ressourcen mobilisieren, müssen Sie sich erst Mal Klarheit darüber verschaffen. Sie werden überrascht sein, wie viel in Ihnen steckt.

Ein paar Beispiele aus meinem persönlichen Umfeld:

  1. An meiner Kantonsschule gab es einen Lehrer der mit ca. 55 Jahren an seiner Lehrtätigkeit keine Freude mehr hatte. Privat hatte er schon immer ein grosses Interesse an Baumaschinen und Lastwagen. Jahre davor hatte er deshalb nebenbei als Hobby den LKW-Führerschein erworben. Nach sorgfältigem Abwägen seiner Situation (persönliche und familiäre Umstände) hat er sich entschieden, den Lehrerberuf zu verlassen und für eine lokale Spedition als Chauffeur zu arbeiten. Trotz deutlich tieferem Einkommen, war er so zufrieden mit seiner neuen Tätigkeit, dass er auch nach Erreichen des Pensionierungsalters weiterhin als Springer für die Spedition weitergearbeitet hat.

  2. Eine Bankangestellte hat mit Anfang 40 ihre Anstellung bei der Bank aufgegeben und eine Tätigkeit bei einer Stiftung für Menschen mit geistigen und mehrfachen Beeinträchtigungen begonnen. Der Umgang mit den Bewohnern dieser Organisation bedeutet ihr so viel, dass sie diesen Wechsel trotz tieferem Einkommen nie bereut hat.

  3. Eine weitere Bankangestellte (Unternehmenskreditgeschäft) hat mit Mitte 30 ihre Bankkarriere an den Nagel gehängt um einen Beruf mit und für Pferde zu erlernen und auszuüben. Unterdessen ist sie erfolgreiche Unternehmerin und bildet sich mit Passion ununterbrochen weiter.

  4. Ein Bekannter hat mit über 50 Jahren seine sichere Anstellung beim Staat aufgegeben und betreibt heute eine Hundeschule (Schwerpunkt Jagdhunde), publiziert Fachartikel in Fachzeitschriften und gibt sein Wissen an Seminaren und Kursen weiter. Auch er würde ohne Not nie mehr in seine alte, vermeintlich sichere Anstellung zurückgehen wollen.

Allen Beispielen ist eins gemeinsam. Keiner dieser Personen ist dieser Umbruch in den Schoss gefallen. Alle mussten sich manchmal beängstigenden Herausforderungen (Finanzen, Absicherung…) stellen. Alle mussten sich ihrer vorhandenen Ressourcen klar werden und alle haben aus ihren Ressourcen durch Einsatz und Weiterbildung Kompetenzen erworben, um in ihren neuen Berufen bestehen zu können. Von Nichts kommt nichts!

Auch sehr wichtig für unsere Resilienz sind die sozialen Ressourcen: das Vorhandensein sozialer Netzwerke und positiven sozialen Bindungen.
Die Gesellschaft ist im Wandel und somit werden klassische Lebensmodelle nach und nach durch neue Lebensentwürfe ergänzt und teilweise ersetzt. Die klassische Familie, welche unter Umständen bis zu vier Generationen vereint, wird durch mehr Individualität und dem Aufbruch klassischer Rollenmodelle verdrängt. Fällt die Familie als „vierte“ Säule der Altersvorsorge weg, muss die Gesellschaft neue Formen der Generationensolidarität finden. 

Swisslife hat mit dem Think Tank W.I.R.E. einen interessanten Aufsatz zum Thema „Wie wir morgen leben“ veröffentlicht (https://www.swisslife.ch/de/ueber-uns/engagement/studien/wire.html#). In einem hervorragenden Executive Summary werden interessante Szenarien für das gesellschaftliche Leben in Zukunft zusammengefasst. 

Auszug aus dem Executive Summary zur Studie “Wie wir morgen leben”

Selbst wenn unsere aktuelle Altersvorsorge aufgrund der demographischen Entwicklungen und aufgrund von fehlendem Reformwillen an Leistungsfähigkeit einbüssen sollte, gibt es dennoch Hoffnung. Wir müssen in Zukunft wieder vermehrt Eigenverantwortung übernehmen. Neben der rein finanziellen Altersvorsorge gibt noch weitere Lösungen. Investitionen in die eigenen Fähigkeiten und die Aktivierung der eigenen Ressourcen helfen, dass wir bis zum Rentenalter und auch danach noch mit Freude und Motivation einer sinnstiftenden Tätigkeit nachgehen können und auch wollen. Der Staat sollte nicht die Rolle des Rettungsankers haben, sondern für Rahmenbedingungen sorgen in denen neue Gesellschafts- und Arbeitsmodelle gedeihen können. Ältere Arbeitnehmer sollen im Arbeitsprozess integriert bleiben so lange sie es wünschen. Gesellschaftlich nützliche Tätigkeiten können gefördert und entlöhnt werden.

Für mich ist die Aussicht auf ein aktives und selbstbestimmtes Alter eine deutlich schönere Vorstellung, als ein Leben in Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen. Wie sehen Sie das?

Auszug aus dem Executive Summary zur Studie “Wie wir morgen leben”

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Der Nanny-Staat als letzte Hoffnung?