Berufliche Vorsorge quo vadis?
Reform 2021 - Die Jungen bleiben weiterhin die Verlierer…
Bei einem Abendspaziergang durch den herrlichen Frühlingswald habe ich mir einige Gedanken zur Zukunft der beruflichen Vorsorge gemacht. Ich habe den Eindruck, dass sich die Menschen zu wenig mit dem Thema auseinandersetzen und immer noch blind darauf vertrauen, dass Ihre Altersvorsorge dank den vorhandenen Alterssicherungssystemen und dank dem Staat ausreichend gesichert ist.
Es wäre gut wenn nicht nur Experten und Fachleute sich für die Altersvorsorge interessieren. Deshalb ist es wichtig, dass wir das Thema allen Menschen in der Schweiz mit all seinen Facetten näher bringen und auf verständliche Art und Weise erläutern.
Leider erkenne ich keinen politischen Willen die unrechtmässige Umverteilung von Jung zu Alt und von hohen zu tiefen Altersguthaben zu eliminieren. Die Politik fokussiert sich auf Besitzstandswahrung, obwohl die heutigen Altersrenten zu hoch sind und die jüngeren Versicherten die Zeche für diese zu hohen Leistungen bezahlen. Wenn es nach dem Willen der SGK-S (Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates) geht, soll der gesetzliche Umwandlungssatz von 6.8% auf immer noch zu hohe 6% gesenkt werden. Im Gegenzug sollen nach Einführung der Reform, 20 Jahrgänge mit Kompensationsmassnahmen in Form eines lebenslangen Rentenzuschlags „entschädigt“ werden. Je nach massgebenden Lohn bei der Pensionierung soll der Zuschlag zwischen maximal CHF 2’400 und minimal CHF 600 pro Jahr betragen. Für Versicherte mit einem massgebenden Lohn von über CHF 143’400.- gibt es keinen Rentenzuschlag.
Kleines Zahlenbeispiel
Bewerten wir diesen Vorschlag der SGK-S anhand eines Gedankenexperiments. Natürlich ist das folgende Beispiel stark vereinfacht. Man kann aber damit zeigen, dass zu hohe Altersleistungen Kosten verursachen, welche von den jüngeren, noch erwerbstätigen Versicherten gedeckt werden müssen. In der Regel wird ein Teil der erzielten Kapitalrendite abgezweigt, um Rückstellungen zur Deckung dieser Verrentungsverluste zu bilden. Auf diese Art und Weise werden heute schon Milliarden von Franken von den Aktiven (erwerbstätigen Versicherten) zu den Rentnern verschoben.
Nehmen wir Frau Rossi als Beispiel und gehen davon aus, dass sie Anfang nächsten Monat mit CHF 400’000.- obligatorischem Altersguthaben in Rente geht. Ihr aktueller Lohn beträgt CHF 90’000.- pro Jahr.
Wir nehmen zudem an, dass der technisch korrekte Umwandlungssatz bei 4.8% liegt. Das entspricht annähernd dem Wert, welcher bei der Ermittlung der technischen Grundlagen BVG 2020 ermittelt wurde (bei einem technischen Zins von 1.5%).
Vor der Reform würde sie eine BVG-Rente von CHF 400’000.- x 6.8% = CHF 27’200.- pro Jahr erhalten. Um eine solche Rente auf der Basis des technisch korrekten Umwandlungsssatzes auszurichten, bräuchte Frau Rossi ein Endaltersguthaben von rund CHF 567’000 (CHF 27’200 / 4.8%). Bei ihrer Pensionierung entsteht ein Verrentungsverlust von rund CHF 167’000.-. Dieser Verlust muss durch die Aktiven ihrer Pensionskasse finanziert werden.
Nach der Reform würde Frau Rossi eine Rente von CHF 400’000.- x 6% = CHF 24’000.- pro Jahr erhalten. In diesem Fall würde immer noch ein Verrentungsverlust von CHF 100’000.- entstehen.
Zusätzlich würde Frau Rossi einen Rentenzuschlag von CHF 2’400.- pro Jahr erhalten. Um einen solchen Rentenzuschlag zu finanzieren, braucht es bei Verwendung von korrekten technischen Grundlagen, ein Kapital von CHF 50’000.-. Dieses Kapital würde neu durch Zuschüsse aus dem Sicherheitsfonds bezahlt werden. Der Sicherheitsfonds würde dafür aus Beiträgen von den Vorsorgeeinrichungen (Pensionskassen) alimentiert. Die Höhe dieser Beiträge werden in Prozent der Austrittsleistungen der Vorsorgeeinrichtungen festgelegt. Die Aktiven werden bei diesem System ganz offen mit Beiträgen zur Deckung der Zusatzrenten belastet und somit ganz offiziell das Umlageverfahren in die berufliche Vorsorge eingeschleust.
Gesamthaft erzeugt die Pensionierung von Frau Rossi nach der Reform immer noch Kosten von CHF 150’000.- welche durch die Aktiven gedeckt werden müssen.
Fazit
Statt die unrechtmässige Umverteilung zu eliminieren, wird diese nur unzureichend reduziert und ein Teil wird als Umlagekomponente für 20 Jahre institutionalisiert. Der Grundgedanke des Kapitaldeckungsverfahrens wäre somit langfristig beschädigt und die jungen BVG-Versicherten wären für lange Zeit die Verlierer des Systems. Es stellt sich zudem die Frage, wie es nach diesen 20 Jahren weitergehen soll?
Wir erkennen aus diesen Reformvorschlägen, wie die Politik immer stärker in den Sparprozess der BVG-Versicherten eingreift, laut über die Einschränkung von Freiheiten (WEF-Vorbezug, Kapitaloption) nachdenkt und das Prinzip der Kapitaldeckung zu Gunsten einer allgemeinen Versorgungssicherheit aushöhlt. Allgemeine Versorgungssicherheit bedeutet für unsere Politiker, dass alle, unabhängig von ihrer Vermögenssituation einen bestimmten Vorsorgegrad erreichen. Es geht somit nicht darum, diejenigen Versicherten besser zu stellen, die ohne Hilfe keine existenzsichernde Rente erhalten. Es geht um eine zunehmende Umverteilung unserer Vorsorgevermögen mit der Gießkanne von Jung zu Alt und von höheren zu tieferen Vorsorgevermögen.
Wer hat unter diesen Umständen noch Lust, freiwillig mehr als die gesetzlichen Sparbeiträge einzuzahlen?