Rente oder Kapital?

Eine etwas andere Betrachtung

Wenn Sie jetzt eine Anleitung für Ihre persönliche Entscheidungsfindung erwartet haben, muss ich Sie leider enttäuschen.  Diese Frage kann nicht beantwortet werden, ohne dass die individuelle Situation des zukünftigen Rentners genauestens geprüft wird. Mit diesem Blog-Eintrag möchte ich anhand eines fiktiven Falles die Entscheidungsfindung eines ebenso fiktiven Herrn Rossi nachzeichnen.   

Herr Rossi wird nächstens Jahr ordentlich mit 65 Jahren in Rente gehen. Er ist seit über 30 Jahren Buchhalter eines mittelgrossen KMU in der Ostschweiz. Sein Bruttolohn liegt bei CHF 120’000 pro Jahr. Sein Arbeitgeber hat eine solide, aber nicht übermässig ausgebaute Vorsorgelösung in Form eines Anschlusses bei einer teilautonomen Sammelstiftung. Alle Mitarbeiter sind im gleichen Vorsorgeplan versichert und auch überobligatorische Lohnteile werden im gleichen Plan berücksichtigt. Die Leistungen für die Risiken Invalidität und Tod sind in Prozent des versicherten Lohns definiert.

Seit über 20 Jahren ist er in der Personalvorsorgekommission des Vorsorgewerks als Arbeitnehmervertreter tätig und kennt sich  dadurch mit der beruflicher Vorsorge ziemlich gut aus. 

Herr Rossi sitzt in seiner Freizeit vor seinem nagelneuen, gelbglänzenden iZac-Computer der Firma Zapfel und möchte mit einer Tabellenkalkulation für seine Frage „Rente oder Kapital“ die notwenigen Fakten zusammentragen.

Die Ausgangslage:

Herr Rossi ist seit vielen Jahren geschieden und seine zwei, aus dieser Ehe stammenden Kinder, sind erwachsen und berufstätig. Von seiner Ausgleichskasse hat er erfahren, dass er eine jährliche AHV-Rente von CHF 28’000.- erhalten wird. Gemäss Projektion auf seinem aktuellen Vorsorgeausweis wird er ein Alterskapital von CHF 700’000.- erreichen, welches sich aus CHF 400’000.- obligatorischem und CHF 300’000.- überobligatorischem Kapital zusammensetzt.

Herr Rossi beginnt zu rechnen: 

  • Mit etwas Wehmut denkt er an die Anfangszeiten seiner Anstellung bei „seiner“ Firma zurück, als seine Vorsorgestiftung noch einen Umwandlungssatz von 7.2% anwendete. Damit würde seine Rente CHF 50’400.- pro Jahr betragen.

  • Anfang 2005 hat seine Vorsorgestiftung für das obligatorische Kapital einen UWS von 6.8% und für das überobligatorische Kapital einen UWS von 5.6% festgelegt.
    Das ergäbe heute eine Rente von CHF 27’200.- plus CHF 16’800.- und somit total CHF 44’000.- pro Jahr.

  • Seit kurzem gilt ein einheitlicher Umwandlungssatz von 5.4%, wobei die gesetzliche Mindestrente von 27’200.- (6.8% auf CHF 400’000.-) garantiert wird. Für Herrn Rossi ergibt das somit eine jährliche Rente von CHF 37’800.-

Herr Rossi hat zwar Verständnis für die Senkung des Umwandlungssatzes, trotzdem ärgert er sich. Seine „versprochene“ jährliche Altersrente ist im Verlauf der Zeit um über CHF 12’000.- gesunken. Bei allem Verständnis für die aktuellen Probleme der Altersvorsorge und bei aller Einsicht, dass die aktuelle systemwidrige Umverteilung von Jung zu Alt ungerecht ist. Mit Verständnis und Einsicht kann er sich nichts kaufen…

Fakt ist, dass für das obligatorische Kapital immer noch ein UWS von 6.8% gilt und somit für Herrn Rossi eine obligatorische BVG-Rente von 27’200.- nicht unterschritten werden darf. So gesehen bringen ihm die CHF 300’000.- überobligatorisches Kapital nur noch eine Rente von CHF 10’600.-. Das entspricht einem UWS von rund 3.5%.
Herr Rossi möchte wissen, bei welchem Alterskapital sein überobligatorisches Guthaben nicht mehr „rentenbildend“ ist. Dazu dividiert er seine BVG-Minimalrente von CHF 27’200.- durch den UWS von 5.4% (0.054) und erhält CHF 503’703.- Das heisst, hätte Herr Rossi nur CHF 103’703.- oder weniger überobligatorisches Altersguthaben, entspräche seine Altersrente immer nur der gesetzlichen BVG-Minimalrente….

Alternative:

Wenn er nur das obligatorische Kapital als Rente und das überobligatorische Kapital als einmalige Auszahlung bezieht, könnte er die CHF 300’000.- anlegen und selbständig einen Kapitalentnahmeplan definieren.
Hier hat er dazu Online-Tools gefunden:

1. https://www.valiant.ch/entnahmeplan-basic
2. https://www.zinsen-berechnen.de/entnahmeplan.php

Herr Rossi ist ein eher vorsichtiger Anleger und rechnet deshalb mit einer tiefen Rendite (Zins) von 1%. Da er auch nicht weiss, wie lange er leben wird, setzt er Mal eine Rentendauer von 30 Jahren an. In seiner Familie sind die meisten in einem Alter von 80 bis 85 Jahren verstorben und ihm sind keine Fälle von extremer Langlebigkeit bekannt.
Mit Erstaunen stellt er fest, dass er bei diesem Vorgehen mit einer jährlichen Rente von rund CHF 11’500.- rechnen könnte. Bei einer immer noch realistischen Rendite von 2% könnte er sogar mit knapp CHF 13’400.- rechnen.
Sollte er vor Ablauf der angesetzten Rentendauer versterben, würden seine Kinder das noch vorhandene Kapital erben. Die in diesem Modell fehlende Anwartschaft auf Witwenrente kümmert ihn (siehe oben) nicht. Sollte er doch wider erwarten älter als 95 Jahre werden, hätte er immer noch die CHF 27’200.- BVG-Rente und CHF 28’000.- AHV-Rente.

Die Idee gefällt ihm. Als erfahrener Anleger traut er sich auch zu, sein Vermögen selber (mit Hilfe seines vertrauten Bankberaters) zu verwalten. Herr Rossi nimmt das Vorsorgereglement in die Hand und prüft, ob er als Versicherter 

  • einen Teilkapitalbezug tätigen kann und wenn ja,

  • ob er das überobligatorische Kapital als einmalige Leistung und das obligatorische Kapital als Rente beziehen kann.

Glücklicherweise lässt das Reglement Herrn Rossis Ansinnen zu und er beschliesst, sich den geplanten Leistungsbezug so rasch als möglich schriftlich bestätigen zu lassen. Man weiss ja nie….

Fazit:

Dieser Blog-Artikel enthält er ein paar wichtige Hinweise, welche bei einem möglichen Kapitalbezug beachtet werden sollten:

  1. Die familiäre Situation spielt eine grosse Rolle. Ist die versicherte Person verheiratet? Wie alt ist der Partner/in? Gibt es rentenberechtigte Kinder? Wie ist der Gesundheitszustand des Rentners (und des Partners). Wie alt werden/wurden die Familienmitglieder? Gibt es Hinweise auf eine ausserordentliche Langlebigkeit?

  2. Wie gut kennt sich die versicherte Person mit Finanzen aus. Hat sie bereits Erfahrungen mit Geldanlagen und hat sie bereits einen vertrauenswürdigen Berater (Bank, Vermögensverwalter)? Kennt sie sich mit Zinsrechnungen, Kapitalbildung und Kapitalentnahmepläne aus?

  3. Kennt sie das Vorsorgereglement. Weiss sie über die Möglichkeiten bei Kapitaloption Bescheid? Kennt sie die gültigen Umwandlungssätze? Etc., etc.

Zudem sehen wir, wie sich die Senkungen des Umwandlungssatzes auswirken. Das überobligatorische Vorsorgeguthaben wird als Manipuliermasse zum Ausgleich einer verfehlte Politik verwendet. Was würde passieren, wenn immer mehr Unternehmen die obligatorische und die überobligatorische Vorsorge trennen? Für die Politik und für die BVG-Branche würde der Druck zur schnelleren Umsetzung von überfälligen Reformen steigen.

Für die Versicherten, vor allem für die jüngeren, wären weniger Umverteilung und somit höhere Kapitalerträge möglich. Je nach gewähltem Modell der überobligatorischen Vorsorge, wäre auch mehr Mitsprache bei der Wahl der Kapitalanlagen möglich.

Wie hätten Sie sich an Stelle von Herrn Rossi entschieden?

 











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