Gedanken zur Reform der beruflichen Vorsorge

Die Interessengruppen feilschen über die Höhe des Umwandlungssatzes, wie um den Preis eines handgeknüpften Teppichs. 

Der Umwandlungssatz (UWS) ist nichts anderes, als das Resultat einer auf statistischen Grundlagen basierenden finanzmathematischen Berechnung. Etwas vereinfacht gesagt, beantwortet der UWS die Frage: 

„Wie hoch darf eine Rente sein, damit das vorhandene Alterskapital mit hoher Wahrscheinlichkeit und unter Berücksichtigung einer realistischen Kapitalverzinsung, zur deren Finanzierung reicht? 

Verschiedene Wahrscheinlichkeiten werden für diese Berechnung berücksichtigt:

  • jährliche Überlebenswahrscheinlichkeit (bzw. Sterbewahrscheinlichkeit)

  • die Wahrscheinlichkeit dass der Rentner verheiratet ist und bei seinem Ableben eine lebenslange Witwenrente ausgerichtet werden muss

  • etc.

Diese Wahrscheinlichkeiten werden aus Statistiken gewonnen, die aufgrund von Beobachtungen grosser Versichertenbestände über mehrere Jahre erstellt werden. Die oben erwähnte „realistische Kapitalverzinsung“ wird in der Branche „technischer Zins“ genannt. Die Festlegung dieser Berechnungsgrösse ist nicht trivial. Wer weiss schon wie hoch die Zinsen in 5, 10 oder gar 20 Jahren sein werden.

Die Lebenserwartung ist seit 1985 gestiegen und steigt weiter. Die Zinsen für risikoarme Anlagen (Bundesobligationen) sind stark gesunken und liegen aktuell nahe bei 0%. Trotzdem wurde der gesetzliche Umwandlungssatz seit bald 20 Jahren nicht mehr verändert und liegt aktuell bei viel zu hohen 6.8%. Die heutigen Renten können mit den angesparten Altersguthaben nicht mehr finanziert werden. Bei jeder Pensionierung müssen die noch erwerbstätigen Versicherten den Neurentnern finanziell kräftig unter die Arme greifen. Dies widerspricht dem Prinzip der Kapitaldeckung diametral.

Reformvorschläge

Der Bundesrat und die parlamentarische Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit SGK schlagen einen UWS von 6% vor. Der Verband der Pensionskassen ASIP geht etwas weiter und möchte den UWS auf 5.8% senken. Wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, sind beide Werte immer noch zu hoch. Zur Kompensation der sinkenden Altersrenten möchte man auch noch folgende Massnahmen ergreifen:

  • Reduktion des Koordinationsabzuges

  • Erhöhung der Sparbeiträge bei jüngeren Versicherten

  • Sparprozess in jüngeren Jahren starten

  • Gewährung eines Rentenzuschlag für eine Übergangsfrist. Dieser soll durch befristete Zusatzbeiträge finanziert werden

Korrekte Höhe des Umwandlungssatzes

Gemäss aktuellen Berechnungen (versicherungstechnische Grundlagen BVG 2020) müsste der technisch korrekte UWS (technischer Zins von 1.5%) bei ca. 4.8% liegen. Werden höhere UWS angewendet, werden weiterhin Mittel systemwidrig von Jung zu Alt umverteilt. Die erwerbstätigen Versicherten werden auch nach einer Reform weiter ungefragt zur Kasse gebeten. Auch für den befristeten Rentenzuschlag wird eine Umlagefinanzierung durch die Hintertür eingeführt. 

Vielleicht ist die Politik der Meinung, dass in Zukunft höhere Zinsen zu erwarten sind und somit die Verwendung eines höheren technischen Zinses einen höheren UWS erlaubt. 

Für mich stellen sich folgende Fragen:

  • Ist sich die Politik im Klaren, dass das Kapital der Rentner (Rentendeckungskapital) aufgrund der unveränderbaren Renten kein Anlagerisiko tragen kann?

  • Ist sich die Politik bewusst, dass bei der aktuellen demographischen Entwicklung die Pensionskassen immer grössere Rentnerbestände und immer weniger erwerbstätige Versicherte haben werden?
    Das Anlagerisiko muss in Zukunft vom anteilsmässig sinkenden Vorsorgekapital der Erwerbstätigen getragen werden (Sanierungsmassnahmen bei Unterdeckung), während das zunehmende Rentendeckungskapital von negativen Kapitalmarktentwicklungen verschont bleibt.

Durch die steigende Zahl der Rentner wird die Risikofähigkeit der Pensionskassen in Zukunft eher abnehmen. Riskantere Anlagestrategien mit höheren Renditeerwartungen können unter diesen Umständen nicht die Lösung sein.

Werden die Zinsen steigen?

Die aktuelle Situation mit den hochverschuldeten Nachbarländer im EU-Raum und einer zur Unterstützung dieser Staaten ultralockeren Geldpolitik der EZB sprechen eher dagegen. Auch die SNB musste dadurch, zur Stützung des Frankenskurses, die Geldschleusen öffnen.
Die nach der Pandemie und der Ukrainekrise aufkeimende Inflation könnte die Zinsen zum steigen bringen. Für die Versicherten ist jedoch der Realzins (Nominalzins minus Inflationsrate) massgebend. Bei drei Prozent Zins und vier Prozent Inflation würde die Kaufkraft unserer Vorsorgevermögen um ein Prozent pro Jahr erodieren. Die Wirkung entspräche einer Negativverzinsung von einem Prozent…. 

Fazit  

Wollte man das Problem wirklich nachhaltig lösen, müsste der UWS drastisch gesenkt und/oder das Rentenalter erhöht werden. Zudem müsste in Zukunft der UWS in viel kürzeren Abständen überprüft und bei Bedarf angepasst werden.
Laufende Renten könnte man variabler gestalten. Diese könnten aus einer

  • konstanten Grundrente bestehen, welche auf einem tiefen (vorsichtig gewählten) technischen Zins basiert und

  • einer variablen “Überschussrente, welche je nach erzielten Kapitalerträgen und Zinsen, Mal höher und Mal tiefer ausfallen könnte.

Mit diesem Modell könnte man verhindern, dass man Rentner mit dauerhaft zu hohen, oder auch zu tiefen Renten in den Ruhestand schickt. Die Idee ist nicht neu.
Weitere Info finden Sie hier: https://generationeninitiative.ch/initiative/initiativtext

Momentan sieht es für mich aus, als müssten wir auch in Zukunft mit der systemwidrigen Umverteilung im BVG leben. Die Reform wird die Symptome etwas lindern, aber sie wird das Problem nicht an der Wurzel packen und lösen.  

Für jüngere Versicherte besteht die Gefahr, dass sie diese Umverteilung lange mitfinanzieren, aber im schlechtesten Fall nicht selbst von einer solchen „Subventionierung“ profitieren werden. 

Es ist an der Zeit, dass wir alle mehr Verantwortung übernehmen. Die Zeiten in denen wir sorglos auf eine ausreichende Altersrente hoffen konnten, sind vorbei. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit und weniger ungerechte Umverteilung sorgen. Der Hebel liegt bei der überobligatorischen Vorsorge. 

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